Eisenbahner greifen 1895 zur Selbsthilfe
Mit der Gründung
des „Spar- und Bauverein“, einer „eingetragenen Genossenschaft mit beschränkter
Haftpflicht zu Witten“ begann vor 125 Jahren die lange Erfolgsgeschichte der
„Wohnungsgenossenschaft Witten-Mitte eG“.
Infolge der
Industrialisierung wandelten sich im 19. Jahrhundert die wirtschaftlichen und
sozialen Verhältnisse der Menschen. Die Industrieunternehmen ließen sich vor
allem in den Städten nieder. Dies führte zu einer großen Zuwanderung
Arbeitssuchender aus ländlichen Regionen und verstärkte die damalige allgemeine
Wohnungsnot. Alles was auch nur annähernd zu Wohnzwecken genutzt werden konnte,
sogar Keller und fensterlose Räume, wurde vermietet. In dieser Zeit schlimmster
materieller und sozialer Not entstand der Gedanke der solidarischen
Selbsthilfe. Kredit- und Konsumgenossenschaften wurden gegründet, die ersten
Wohnungsgenossenschaften folgten.
Auch in Witten herrschte
zur damaligen Zeit eine große Wohnungsnot. Als 1863 die Hauptwerkstätte der
Bergisch-Märkischen Eisenbahn von Elberfeld nach Witten verlegt wurde, kamen viele
hundert Arbeiterfamilien nach Witten. Am 22. August 1895 gründeten Angehörige
der Eisenbahner Hauptwerkstatt (heute besser bekannt als Bundesbahn-Ausbesserungswerk,
Weichenwerk Witten und Werk Oberbaustoffe Witten) den Spar- und Bauverein, um die Wohnungsnot zu lindern und den
Mitgliedern bezahlbare Wohnungen zur Verfügung zu stellen. Zur
Gründungsversammlung kamen auf Einladung einer Statutenberatungskommission 25
Interessenten, meist Eisenbahner, die den Vorstand und Aufsichtsrat wählten.
Die Höhe des Geschäftsanteils wurde auf 300 Mark festgesetzt.
Bezahlbarer Wohnraum für die Mitglieder
Nach dem Kauf eines
Grundstücks an der Kirchhofstraße, der heutigen Marienstraße, wurden 1896 die
ersten zwei Häuser mit 22 Wohnungen fertiggestellt. Die Marienstraße 20 und 20a
gelten als „Wiege der Genossenschaft“. Die Mieter erhielten ihre Wohnungen
durch Verlosung. Wer länger als drei Monate mit seinen Einzahlungen auf den
Geschäftsanteil im Rückstand blieb, verlor das Recht auf Teilnahme an der
Verlosung von Wohnungen oder das Recht, eine bereits bezogene Wohnung zu
behalten und konnte sogar aus der Genossenschaft ausgeschlossen werden.
Die Bautätigkeit wurde zügig
fortgesetzt. 1897/98 entstanden an der Breite Straße acht Häuser mit 100
Wohnungen. Es folgten Neubauten in der Oberstraße, am Tannenberg und
Crengeldanz sowie in der Boltestraße. Der Wert des Hausbesitzes vor dem Ersten
Weltkrieg wurde auf über eine Million Mark geschätzt. Bis zum Ausbruch des Zweiten
Weltkrieges baute die Genossenschaft 46 Häuser mit 381 Wohnungen. Mit vereinten
Kräften wurden dann bis in die 50er Jahre hinein die schlimmsten Kriegsschäden
beseitigt. Später profitierte die Genossenschaft von der immer noch engen
Verbindung zur Bundesbahn, die ebenso wie das Wittener Edelstahlwerk Darlehen
bereitstellte, mit denen die Bautätigkeit wieder aufgenommen werden konnte.
Bis 1970 wuchs der Immobilienbestand
der Genossenschaft auf 213 Häuser mit 1.321 Wohnungen. Zunehmend konnte der
Bevölkerung nun auch preisgünstiger Wohnraum in attraktiven Vororten wie
Bommern und Heven angeboten werden. Die 80er Jahre waren von umfangreichen
Instandhaltungs- und Modernisierungsnahmen im Bestand geprägt.
Zukunftsorientiert aufgestellt
Seit den 90er Jahren
realisierte die Wohnungsgenossenschaft neben der kontinuierlichen
Bestandspflege weitere Neubauprojekte in Bommern, am Sonnenschein und in der Stadtmitte.
Das aktuelle Neubauprojekt der Genossenschaft mit 17 öffentlich geförderten
Wohnungen in der Otto-Hue-Straße 12 in Vormholz ist so gut wie fertiggestellt.
Auch durch den Kauf
weiterer Immobilien ist die Genossenschaft in den letzten Jahren stetig
gewachsen. 2011 wurden aus dem Immobilienbestand der Meravis 20 Häuser mit 167
Wohnungen erworben. Durch die Verschmelzung der Wohnungsgenossenschaft Witten-Mitte
eG mit der Gemeinnützigen Wohnungsbaugenossenschaft Herbede e.G. zum 01.01.2015
vergrößerte sich der Bestand um weitere 45 Häuser mit 198 Wohnungen.
Der Intention der Gründerväter folgend, bietet die Wohnungsgenossenschaft Witten-Mitte ihren Mitgliedern guten, sicheren und bezahlbaren Wohnraum. Allein im letzten Jahr wurden 6,4 Millionen Euro in den Bestandserhalt und die Schaffung neuer Werte investiert. Entsprechend gering ist daher auch die Leerstandsquote. Und weil sich die Genossenschaft mit der Stadt verbunden fühlt, werden Aufträge auch vorrangig an heimische Auftragnehmer vergeben. Rund ums Wohnen bietet die Genossenschaft ihren Mitgliedern zudem ein umfassendes Service- und Dienstleistungsangebot mit Hausreinigung, Winterdienst, Sozialbetreuung sowie Veranstaltungen im Mitgliedercafé und Begegnungszentrum, Ausflüge, Feste und vieles mehr. Zum Witten-Mitte-Bestand gehören derzeit 1.831 Wohnungen in 296 Häusern. Damit ist die Genossenschaft nicht nur das älteste, sondern auch das größte Wohnungsunternehmen in der Stadt. 125 Jahre nach Gründung zählt die Wohnungsgenossenschaft Witten-Mitte eG über 2.300 Mitglieder, die die Vorteile der genossenschaftlichen Solidargemeinschaft schätzen.